Die Corona-Pandemie ist eine außergewöhnliche politische Lage. Kritik der Opposition an den Regierenden sollte gerade in diesen Zeiten mit Augenmaß und nicht polemisch daherkommen. Gleichzeitig bleibt es aber auch wichtig, sich eine demokratische Streitkultur zu erhalten.
Insgesamt muss man sagen, dass in Deutschland das Verantwortungsbewusstsein bei politischen Entscheidungen lange spürbar war: Klare Maßnahmen, die sozialen Folgen aber immer im Blick. Die Bundesminister Olaf Scholz und Hubertus Heil kann man dabei durch ihr entschiedenes und schnelles Handeln gerade im ersten Lockdown hervorheben, aber verantwortungsbewusstes Handeln ist auch keine Frage des Parteibuchs. Das Auftreten der Politik im ersten Lockdown hat Vertrauen geschaffen.
Inzwischen ist einiges Wasser die Weser hinuntergeflossen. Mit der Virus-Mutation gibt es neue Befürchtungen, mit dem Impfstoff aber auch neue Hoffnungen. Was aber in Nordrhein-Westfalen kein bisschen mehr erkennbar ist, ist die Klarheit, das Verantwortungsbewusstsein und der Versuch, Vertrauen zu schaffen. Stattdessen regiert das Chaos.
Die Schulpolitik von Bildungsministerin Yvonne Gebauer sorgt schon lange für Kopfschütteln bei allen Beteiligten. Konzeptlosigkeit (vom Lüften der Klassenräume mal abgesehen), Richtungswechsel vom einen Tag auf den anderen und eine katastrophale Kommunikation (die Schulmails am Freitag Nachmittag, wie der Ablauf ab Montag sein soll, sind jetzt schon legendär) sind das Markenzeichen der NRW-Schulpolitik. Dass im November der damalige Hotspot Solingen (Inzidenz von 283) von Gebauer ein Verbot erhielt, digitalen Wechselunterricht durchzuführen, steht exemplarisch für das chaotische Handeln im Bildungsministerium.
Das Chaos der Schulpolitik greift inzwischen in NRW in immer mehr Bereiche. Inzwischen ist die Verordnungslage so diffus, dass kaum noch jemand weiß, ab wann für wen was gilt. So ist das auch mit der 15-Kilometer-Regel. Erst in der Ministerpräsident*innenkonferenz vereinbart, fehlt sie dann in der Verordnung des Landes. Dann aber die spontane Verkündung am Montag Abend, dass sie ab Dienstag regional gelten soll. Auch für Bielefeld. Dann wieder nicht für Bielefeld, aber in Minden-Lübbecke, Höxter und zwei weiteren Kommunen im Land. Ob die Streichung Bielefelds wegen einer guten Begründung der Stadt (die Nicht-Belastbarkeit der Zahlen wegen Bearbeitungsrückständen) nur vorübergehend ist – so das Gesundheitsministerium – oder grundsätzlich weiterhin Freiwilligkeit für die Kommunen besteht – so der stellvertretende Ministerpräsident Joachim Stamp – ist mit bloßem Auge nicht zu erkennen.
Dazu kommt: Welchen Nutzen hat die 15-Kilometer-Regel eigentlich genau bei der Eindämmung des Virus? Natürlich sind aus logischen Gründen viele Ausnahmen aufgeführt. Damit ist die Lage so diffus, dass sie kein bisschen mehr kontrollierbar ist und nur noch symbolischen Charakter hat. Und wem genau soll jetzt Symbolik statt wirksamer Eindämmung des Virus helfen? In Minden-Lübbecke kommt ja noch das Chaos mit der nächtlichen Ausgangssperre hinzu, die mal galt, dann plötzlich nicht mehr und an die sich auch der Landes-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann bei einem Fernsehauftritt bei Markus Lanz nicht mehr erinnern konnte.
Und es bleibt in Minden-Lübbecke die Frage: Warum widerspricht der Bielefelder Oberbürgermeister der sinnlosen 15-Kilometer-Regel, Landrätin Anna Bölling aber nicht? Geht es dann doch darum, den Parteifreund Armin Laschet im innerparteilichen CDU-Wahlkampf um den Vorsitz zu schützen?
Alles in allem: Die NRW-Landesregierung zerstört gerade Vertrauen und schafft Chaos. Mit der Virus-Mutation ist die Lage weiterhin sehr ernst und dieses Chaos richtet nur Schaden an. Armin Laschet scheint sich mehr mit dem Wahlkampf um den Parteivorsitz zu beschäftigen, als damit, eine Linie in das Handeln seiner Regierung zu bringen. Das muss sich schnell ändern, wenn nicht weiteres Vertrauen verspielt werden soll.
Und darüber hinaus gilt für alle Bürger*innen: Auch wenn die Landes-Regelungen so diffus sind, dass niemand mehr durchblickt, hilft es am besten Kontakte zu reduzieren, Abstand zu halten und Masken zu tragen.